ISO 45001
Neue Norm im Arbeitsschutz

15.10.2018 Die ISO 45001:2018 ist der Schlüssel für sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeiten.

Marlies Becker ist Lead Trainer, Lead Assessor & Project Manager bei Lloyd´s Register.
© Foto: lrqa
Marlies Becker ist Lead Trainer, Lead Assessor & Project Manager bei Lloyd´s Register.

Carl Ebelshaeuser von Lloyd’s Register sprach dazu mit Marlies Becker, Lead Trainer, Lead Assessor & Project Manager.

Carl Ebelshaeuser: Was ändert sich mit der neuen Norm ISO 45001 für den Arbeitsschutz?

Marlies Becker: Die neue ISO 45001 "Arbeitsschutzmanagementsysteme - Anforderungen mit Leitlinien zur Anwendung" vereint zum ersten Mal den traditionellen Arbeitsschutz und das betriebliche Gesundheitsmanagement.

Ebelshaeuser: Wieso gibt es überhaupt eine neue Norm? Wo liegt die Notwendigkeit?

Becker: Die ISO 45001 löst die bisherige BS OHSAS 18001 ab. Im Hinblick auf den demographischen Wandel (z.B. das verlängerte Renteneintrittsalter), die Zunahme von Erkrankungen sowie die Beschleunigung im Arbeitsleben, bedingt durch die fortschreitende Digitalisierung, spielen die Themen Arbeits- und Gesundheitsschutz in der modernen Arbeitswelt eine immer größere Rolle. Diesen Anforderungen wurde die bisher geltende Norm BS OHSAS 18001 nicht mehr gerecht. ISO 45001:2018 versetzt Organisationen in die Lage, durch ihr SGA-Managementsystem den Aspekt des arbeitsbedingten Wohlbefindens von Beschäftigten einzubeziehen.

Ebelshaeuser: ...und welche Änderungen waren notwendig, um das zu erreichen? Und was ist der wesentliche Vorteil der Iso 45001:2018?

Becker: Die ISO 45001 entspricht mit den zehn Hauptkapiteln der Struktur der internationalen Normen für Managementsysteme, z.B. auch für Qualität (ISO 9001:2015) und Umwelt (ISO 14001:2015). Das ist ein wesentlicher Vorteil der neuen Norm. Wenn ein Unternehmen z.B. bereits nach ISO 9001 oder ISO 14001 zertifiziert ist, sind wesentliche Anforderungen bereits erfüllt und müssen nicht gänzlich neu ermittelt werden. Diese Integration der Managementsysteme schafft neben einer weitgehenden Strukturierung im Sinne der neuen HLS Struktur auch wirklich nennenswerte Kostenreduzierungen.

Ebelshaeuser: Welche anderen Neuigkeiten weist die Norm auf?

Becker: Der ganzheitliche Blick auf das Unternehmen steht hier im Vordergrund. Der „Kontext der Organisation“ schließt sowohl die Beschäftigten, als auch die Arbeitsbedingungen entlang der Wertschöpfungskette ein; U.a. sollen Arbeitnehmer stärker am Gesundheitsschutzmanagement beteiligt und in Beratungen einbezogen werden. Daneben sollen auch die Bedingungen für Mitarbeiter von Fremdfirmen oder Personal ausgelagerter Prozesse berücksichtigt werden. Diese Anforderungen sind nicht zu unterschätzen, denn oftmals bilden vorgelagerte Prozesse und Wertschöpfungen den Großteil der Wertschöpfung. Die Fertigungstiefe hat in vielen Teilen der Industrie dramatisch abgenommen und dieser Trend hält nach wie vor an. Insofern trägt die neue ISO 45001 dieser Tatsache Rechnung und erhöht die Arbeitssicherheit durch einen stärkeren Bezug zur betrieblichen Wirklichkeit. Es ist bereits jetzt bekannt, dass große Industrieunternehmen, aus diesem Grund Ihre Supply Chain dazu vertraglich verpflichten, sich nach ISO 45001 zertifizieren zu lassen.

Ebelshaeuser: Welchen konkreten Nutzen haben die Unternehmen denn von der neuen Norm?

Becker: Da ISO 45001:2018 durch Ihre neue Struktur wesentlich stärker auf die realen betrieblichen Gegebenheiten eingeht, als die Vorgängernorm, ist ein Rückgang der betrieblichen Unfallzahlen, der betrieblichen Haftung zu erwarten.
Das dürfte sich in vielen Fällen auch auf die Lieferfähigkeit auswirken. Wesentlich ist auch, und man sollte auch nicht unterschätzen, dass es sich auch sicher auf eine positive Auswirkung auf die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter auswirkt wenn im betrieblichen Umfeld die Arbeitssicherheit ein besonderes Gewicht durch die neue Norm erhält. Die Tendenz hatte ja auch schon die ISO 14001 vorgegeben, die eine wesentliche Verstärkung der Nachhaltigkeit vorsieht.

Ebelshaeuser: Muss es einen betrieblichen Verantwortlichen für den Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz noch geben?

Becker: Die oberste Leitung muss sicherstellen, dass relevante Rollen im SGA-Managementsystem zugewiesen werden. Das Top-Management ist stärker gefordert als bisher: Die Unternehmensleitung muss Führungsverantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz übernehmen. Auch hier, wie bei der ISO 9001 und ISO 14001 kann die Verantwortung nicht delegiert werden, die Unternehmensleitung steht in der Pflicht.

Ebelshaeuser: Wie sieht es mit dem Management von Chancen und Risiken aus, das wir ja bereits aus anderen Normen her kennen?

Becker: Gefahren müssen identifiziert werden, am Arbeitsplatz genauso wie für bestimmte Personenkreise, in Notfallsituationen und bei Änderungen von Prozessen. Mögliche Risiken im Arbeits- und Gesundheitsschutz müssen ( neu ) bewertet und Maßnahmen zu ihrer Reduzierung müssen abgeleitet werden.
Chancen zur Verbesserung sollen nun erstmals in einem eigenen Prozess identifiziert werden. Chancen können sich z.B. aus Veränderungen der Organisation ergeben oder durch Beseitigung von indem Arbeits- und Gesundheitsschutzrisiken am Arbeitsplatz beseitigt oder Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Bedürfnisse der Beschäftigten angepasst werden.
Chancen für den Gesundheitsschutz können auch sein, dass z.B. betriebliche Zusammenhänge verständlich oder Zeiten der Erreichbarkeit geregelt sind.

Ebelshaeuser: Wie lange haben die Unternehmen Zeit sich auf die neue Norm umzustellen?

Becker: Es gibt eine dreijährige Übergangsphase, Zertifikate nach BS OHSAS 18001 sind nur noch bis 11. März 2021 gültig. Der Zeitraum entspricht dem der ISO 9001 und ISO 14001. Hierbei dürfte den betrieblich Verantwortlichen klar sein, dass trotz einer erheblichen zeitlichen Erleichterung durch die bestehende HLS-Struktur, (integrierte Managementsysteme) der Zeitrahmen eng gefasst wurde und unnötige Verzögerungen vermieden werden sollten.

Ebelshaeuser: Welche Vorgehensweise empfiehlt sich bei der Umstellung auf die ISO 45001?

Becker: Für den Übergang von OHSAS 18001 zur neuen ISO 45001 empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
1. Änderungen ermitteln: Was fordert die ISO 45001?
2. Ist-Analyse: Welche dokumentierten Informationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz gibt esbereits? Welche müssen neu erstellt bzw. ergänzt werden?
3. Audits durchführen: Im Rahmen von Audits sollten alle Anforderungen der Norm bearbeitet werden, entweder anhand der Norm selbst oder mit Hilfe eines Fragenkatalogs. Maßnahmen und Verantwortliche müssen bestimmt werden.
4. Und schließlich müssen zuvor geplante Maßnahmen umgesetzt und deren Umsetzung überwacht werden.

Die Fragen stellte Carl Ebelshaeuser, Lloyd’s Register

Weitere Informationen zur ISO 45001 sind unter: www.lrqa.de/standards-und-richtlinien/iso-45001/ abrufbar.

Eine Ausstellung zum Thema Managementsysteme 2018 findet am 22. November 2018 in Dortmund statt: www.lrqa.de/events/Managementsysteme-2018.aspx

www.lrqa.de

boe/heb


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